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Hoch im Norden Kanadas, nicht weit entfernt vom Polarkreis, stapft Jesse Cooke am Ufer eines Flusses entlang, der Menschen seit 128 Jahren hoffen und verzweifeln lässt. Die Luft ist kalt, Cookes Atem dampft. Er streckt einen Arm aus und zeigt mit einem dicken Handschuh auf die Landschaft vor sich, eine stille Welt aus Kiefern, Hügeln und Felsen. „Irgendwo hier“, sagt Cooke, „muss der Schatz begraben liegen.“
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Cooke, ein Mann mit dichtem Bart und wuscheligen Haaren, glaubt die fantastische Geschichte, die man sich in dieser unwirtlichen Gegend am Rand der Arktis erzählt. Es ist die Geschichte von der „Motherlode“, der Mutter aller Goldadern. In dem Territorium Yukon, nahe dem kleinen Ort Dawson, heißt es, lägen unvorstellbare Reichtümer verborgen.
Cooke stoppt vor einem Pfahl, der einen halben Meter aus dem Boden ragt. „Hier haben Goldgräber ihr Revier markiert“, sagt er. Der Mann kennt jeden dieser sogenannten Claims. Er ist Geologe und sitzt in einem Gremium, das Schürfrechte in der Umgebung von Dawson vergibt. Zudem betreibt er ein kleines Tour-Unternehmen und fährt mit Besuchern aus aller Welt auf die Goldfelder hinaus.
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Im klaren Wasser des Klondike – das ist der Fluss, den Cooke seinen Gästen an diesem Morgen zeigt – entdeckte eine Familie im Sommer 1896 glänzende Klumpen. Es war der Beginn eines großen Goldrauschs und der Auftakt zum letzten großen Abenteuer des 19. Jahrhunderts. Gut 100.000 Menschen machten sich auf den Weg in den Yukon, Ärzte, Anwälte, Fabrikarbeiter, alle auf der Jagd nach Wohlstand. Einige fanden ihn, die meisten nicht.
Jeder kann im Yukon sein Revier abstecken
Heute reisen wieder Goldsucher in den Yukon. Es sind moderne Glücksritter auf der Suche nach der Hauptader, von der die vielen kleinen Brocken im Klondike stammen. Überall wachsen neue Pfähle aus dem Boden. Vor zehn Jahren gab es hier oben rund 18.000 Claims, vor fünf Jahren schon fast 24.000, jetzt sind es mehr als 30.000.
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Und das Besondere ist: Jeder kann sein Revier abstecken. In den meisten Regionen der Welt werden Schürfrechte nur an Staatsbürger oder Firmen vergeben. Im Yukon dürfen alle graben. Man muss nur ein freies Stück Land finden, es mit den Stöcken markieren und ein Formular für das Bergbauamt ausfüllen. Am Ende zahlen die Goldsucher noch eine Bearbeitungsgebühr: zehn Dollar für die Aussicht auf den großen Fund.
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Gold, Wildnis, Weite: Eine Reise in den Yukon führt an den Rand der Zivilisation. Das Territorium liegt östlich des US-Bundesstaates Alaska, halb in der Arktis. Es zählt zu den kältesten Orten auf dem Planeten. An manchen Wintertagen werden minus 50 Grad Celsius gemessen.
Doch das sollte niemanden abschrecken, denn der Yukon steckt voller Wunder. Da ist der berühmte Dempster, eine 740 Kilometer lange, gut gepflegte Schotterstraße, die von Dawson an den Arktischen Ozean führt. Als Autofahrer sieht man reißende Flüsse und schroffe Berge, mit Glück auch Bären und Wölfe – und überquert den Polarkreis.
Da ist die Carcross Desert im Süden der Hauptstadt Whitehorse, die als kleinste Wüste der Welt gilt. Auf einer 500 Meter breiten Waldlichtung erheben sich dort Dünen wie in der Sahara. Da sind die Nordlichter und die Mitternachtssonne, grandiose Schauspiele am Himmel. Und da ist – natürlich – der Schatz im Boden.
Alter und neuer Goldrausch in Dawson
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„Das Jagdfieber kehrt zurück“, sagt Cooke. Er führt nun durch Dawson, das Zentrum des alten und neuen Goldrauschs. In dem Ort scheint sich in den vergangenen 100 Jahren nicht viel getan zu haben. Statt geteerter Straßen gibt es nur Sandwege. Sie werden von Holzhäusern mit kleinen Erkern und breiten Veranden gesäumt, ihre Fassaden sind mal rot, mal blau, mal gelb. Stromkabel spannen sich über schiefe Masten. Der „General Store“, der Supermarkt, könnte die Kulisse für einen Western abgeben.
Im Süden Dawsons, hinter der Polizeiwache, trifft der Klondike auf den Yukon River. Früher wurde das Gold, das die Schürfer in den Flüssen fanden, oft für Schmuck verwendet. Heute landet es meist in Computerchips. Der Wert des Metalls ist seit Ende 2019 deutlich gestiegen, Gold gilt vielen als sichere Anlage in turbulenten Zeiten. Die hochfliegenden Preise locken die Glücksritter des 21. Jahrhunderts in den Yukon.
Beeindruckender als die kleinen modernen Radlader sind die historischen Maschinen, die man in Dawson besichtigen kann. Die Dredge No. 4 ist ein gigantischer Bagger aus Holz, hoch wie ein achtstöckiges Haus. Er war von 1913 bis 1959 in Betrieb und förderte insgesamt neun Tonnen Gold – eine gute Ausbeute für die damalige Zeit, vor allem in dieser harschen Gegend.
„Die Abenteurer, die 1896 nach Dawson kamen, hatten oft weniger Glück“, sagt Angharad Wenz. Sie schreitet durch einen Raum mit hoher Decke, unter ihren Stiefeln knarren Dielen. Draußen pfeift ein eisiger Wind, aber hier drinnen, im Dawson City Museum, ist es warm. An den Wänden hängen Gegenstände aus dem Alltag der frühen Goldsucher: Spitzhacken, Helme, Handschuhe, Felle, Notizbücher, Uhren, Waagen. Die Ausstellung befindet sich in einem viktorianischen Haus am Ortsrand, Wenz ist die Kuratorin. „Der Goldrausch“, sagt sie, „war nur halb so romantisch, wie man sich das vorstellt.“
Viele Schürfer zogen damals in Alaska los, stapften über vereiste Berge in die kanadische Provinz British Columbia und ließen sich dann auf wackeligen Flößen den Yukon River nach Dawson hinuntertreiben. Von den gut 100.000 Menschen, die den Treck wagten, kamen nur etwa 30.000 an. Weniger als 4000 fanden in den kalten Flüssen und harten Böden Gold. „Dawson“, sagt Wenz, „ist ein Ort der geplatzten Träume.“
Bordellbesitzer war der Großvater von Donald Trump
Zu denen, die reich wurden, gehörte ein Mann namens Friedrich Trump – der Großvater von Donald Trump. Im Frühling 1898 eröffnete er 300 Kilometer südlich von Dawson, in dem kleinen Ort Bennett, ein Restaurant mit Bordell. Bennett war für viele Goldsucher auf dem Weg an den Klondike ein wichtiger Stopp. Und Trump wusste, was sie vor ihrem Aufbruch in die Wildnis wollten: Frauen, Schnaps und eine warme Mahlzeit.
„Mining the Miners“, so nennt Wenz das. Der alte Trump zockte die Schürfer ab. Er war nur drei Jahre in Kanadas hohem Norden, doch das genügte ihm, um ein Vermögen zu verdienen. Davon kaufte er in New York Immobilien – und legte so den Grundstein für den Reichtum seiner Familie.
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Der Goldrausch verwandelte Dawson in eine pulsierende Stadt. Überall entstanden Läden, Lokale und Hotels. Den Neureichen wurden alle möglichen Luxusartikel angedreht, etwa Perserteppiche, Kronleuchter, Mahagonimöbel, Champagner, Austern. Bling-Bling am Rand der Arktis. Doch das endete um 1900. Mehr und mehr Goldgräber gaben auf, weil ihnen die Bedingungen hier oben – die Kälte, die Abgeschiedenheit, die Dunkelheit im Winter – zu hart waren.
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Der aktuelle Goldrausch ist unauffälliger und hinterlässt doch Spuren. Die Schürfer tragen in der Umgebung von Dawson Hügel ab und graben alles um. Touristen dürfen im Flussbett Schlamm sieben. Jesse Cooke, der Geologe und Guide, sagt: „Gold ist eine wichtige Einnahmequelle für uns, aber wir müssen auch die Natur bewahren.“
Und noch etwas ist anders als früher: Die Folgen des Klimawandels sind auch in der Arktis zu spüren. Experten zufolge hat sich die Zahl der Waldbrände seit 2018 verdreifacht. In manchen Sommern toben Hunderte Feuer. Städte wie Whitehorse legen Brandschneisen an – entfernen also Bäume, Sträucher und Gräser, um Flammen die Nahrung zu nehmen. Das Gremium, in dem Cooke sitzt, hat die Zahl der Abbaurechte verringert. Zum ersten Mal seit 128 Jahren versucht Kanada, die Glücksritter zu zähmen.
Tipps und Informationen:
Anreise: Zum Beispiel mit Air Canada von Frankfurt über Vancouver nach Whitehorse oder mit Lufthansa von München aus. Mit Air North weiter nach Dawson.
Unterkunft: Dawson: „The Downtown“, Doppelzimmer ab 108 Euro (coasthotels.com). Whitehorse: „Best Western Gold Rush Inn“, Doppelzimmer ab 154 Euro (bestwestern.com) oder „Raven Inn“, Doppelzimmer ab 190 Euro (raveninn.com). 20 Kilometer südlich bietet das „Northern Lights Resort & Spa“ ein „Nordlicht-Paket“: vier Nächte mit Halbpension, Sauna und Aurora-Führungen, ab 1000 Euro pro Person (northernlightsyukon.com).
Goldrausch: Jesse Cooke bietet Fahrten auf die Goldfelder nahe Dawson, er zeigt auch die ersten Fundorte (klondikeexperience.com). Das Dawson City Museum vermitteln den Alltag der ersten Goldsucher (dawsonmuseum.ca).
Mehr Informationen: travelyukon.com
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Destination Canada. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.