Nachruf auf Diana Rigg: "Mrs Peel, wir werden gebraucht!" (2024)

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Nachruf auf Diana Rigg: "Mrs Peel, wir werden gebraucht!" (1)

Foto: interTOPICS / LMK Media/ ddp images

Es waren 52 Akte der künstlerischen Unterforderung, die sie weltberühmt machten. Die Schauspielerin Diana Rigg schmiss ihren Job als Emma Peel in der Serie "Mit Schirm, Charme und Melone" im Jahr 1967 mit genau dieser Begründung nach drei Jahren und 52 Folgen hin: Sie fühle sich "künstlerisch unterfordert". Die damals 29 Jahre alte Darstellerin hatte immerhin bei den Theatersnobs der Royal Shakespeare Company in Stratford-upon-Avon angefangen, kannte den Schauspieltitanen Laurence Olivier vom Plaudern in der Kantine und war in ehrwürdigen Klassikern wie "Der Widerspenstigen Zähmung" und "King Lear" aufgetreten. Die Theaterspielerei galt damals als hehre Kunst, Fernsehserien dagegen als stumpfe Unterhaltung.

"Es war ein Schock für mich, dass ich plötzlich als Sexsymbol galt"

Diana Rigg über ihre Rolle in "Mit Schirm, Charme und Melone"

Für ihre Arbeit in "Mit Schirm, Charme und Melone" wurde Rigg vom Publikum nicht bloß wegen ihrer tollen Schauspielkunst, sondern auch wegen ihres phänomenalen Aussehens angebetet - das machte die Sache nicht besser. "Es war ein Schock für mich, dass ich plötzlich als Sexsymbol galt", berichtete die 80-jährige Rigg in einem Interview mit dem Londoner "Guardian". Besonders aufdringliche Fanpost habe damals ihre Mutter mit den immer gleichen zwei Sätzen beantwortet: "Meine Tochter ist viel zu alt für Sie. Nehmen Sie eine kalte Dusche."

Die Schauspielerin Rigg, die nun mit 82 gestorben ist, zeichnete sich zeitlebens durch Schlagfertigkeit, Witz und einen manchmal rauen Ton aus. Der sorgte in ihren Glanzzeiten dafür, dass sie im Theater in der gemeinsten aller Shakespeare-Rollen als Lady Macbeth gefeiert wurde – und er brachte ihr für ihre Auftritte als superböse Lady Olenna in "Game of Thrones" das merkwürdige Kritikerlob ein, ihr gerate "selbst Schroffheit zu einer eigenen Kunstform".

Ihren Ruhm in jungen Jahren aber verdankte Rigg natürlich der Rolle der Agentin Emma Peel in "The Avengers", wie "Mit Schirm, Charme und Melone" im britischen Original hieß. An der Seite des aus aristokratischen Kreisen stammenden, stets etwa hüftsteifen Agenten John Steed, den Patrick Macnee zunächst auch mit anderen Mitstreiterinnen gespielt hatte, war Riggs Peel eine stolze Karatekämpferin in super engen Kampfdressen und Jumpsuits. Sie verfügte über eine spöttische Zunge und einen jede Schurkerei klug analysierenden Verstand. Peel und Steed, offensichtlich auch erotisch aneinander interessiert, traten in oft surrealen Missionen gegen mörderische Roboter und Atombombenbastler an. Wenn der knorzige Steed "Mrs Peel, wir werden gebraucht!" rief, ging es gegen Bösewichte, die über eine Zeitmaschine verfügten, und gegen Mistkerle, die seit Jahren irgendwo in einem großen Loch unter der Erde hausten. Auch die lustig durchgeknallten Drehbücher hatten ihren Anteil daran, dass "Mit Schirm, Charme und Melone" bis heute in vielen Ländern der Welt als psychedelisches Meisterwerk angehimmelt wird – und sie sind mit schuld daran, dass die Emma Peel der Darstellerin Diana Rigg als Superheldin des drogenberauschten, swingenden London der Sechzigerjahre gilt.

"Ich hatte ein gemütliches Leben. Jetzt muss ich wieder auf roten Teppichen herumstehen"

Diana Rigg über ihre Rolle in "Game of Thrones"

In dem James-Bond-Film "Im Geheimdienst ihrer Majestät" von 1969 spielte Rigg an der Seite des leidlich unterschätzten Bond-Darstellers George Lazenby die einzige Frau, die der Titelheld in einem der Kinoabenteuer des Agenten 007 je heiraten durfte. Natürlich war Riggs Einsatz an der Seite von Bond eine ironische Spiegelung ihrer Emma-Peel-Rolle, in der sie sich über die Machoallüren der Geheimdienstwelt souverän hingesetzt hatte. Gegen die Männermacht wandte sie sich auch jenseits der Leinwand. Schon in den Sechzigerjahren empörte sich Rigg öffentlich darüber, dass ihre männlichen Mitspieler und sogar die Kameramänner höhere Honorare erhielten als sie - das macht sie aus heutiger Sicht zu einer Vorkämpferin für die Sache der Frauen, brachte ihr aber viel Ärger ein. "Ich kann einfach nicht anders, als immer klar meine Meinung zu sagen", erinnerte sie sich an jene Zeit in Interviews. "Damals hat mich die Presse als geldgierige Kreatur angegiftet. Und keine einzige Frau aus dem ganzen Filmgeschäft hat mich unterstützt."

Einen Teil ihrer Kindheit hatte Rigg in Indien verbracht, wo ihr Vater einen wichtigen Job als Eisenbahner hatte. Zweimal war sie verheiratet, in den Siebzigerjahren mit dem MalerMenachem Gueffen, einem Israeli, und in den Achtzigerjahren mit Archibald Stirling, einem schottischen Großgrundbesitzer. Im Theater gelangen Rigg Triumphe und einmal auch ein kleiner Skandal wegen eines Nacktauftritts. Sie wurde Schauspielprofessorin und ließ sich in den Vorstand der Royal Academy of Dramatic Art wählen. Nach vielen anderen Auszeichnungen wurde sie 1994 von KöniginElisabeth II.zurDame Commanderernannt. Ihren späten Ruhm als "Game of Thrones"-Figur nannte Dame Diana spöttisch eine schwere Bürde: "Ich hatte ein sehr gemütliches Leben. Jetzt muss ich wieder dauernd auf roten Teppichen herumstehen und mich dort langweilen". Ihr Mut und ihre Frechheit, behauptete Rigg, seien unbedingt angeboren und also genetisch bedingt. "Zumindest benutze ich das immer als Entschuldigung."

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Author: Prof. An Powlowski

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